Mit 8 LKW in 7 Tagen einmal Balkan und zurück – über 3400km mit Hilfskonvoi unterwegs
1. Tag – 430 km
06:15 Uhr, Wecker klingelt. Es gibt noch viel zu tun. Dr. Hermann Munzel (im Weiteren Hermann), Vorsitzender der Biker-Brummi-Hilfe (BBH) hat in den letzten Wochen organisiert, geregelt und verhandelt. Unter anderem waren die Schirmherrschaft des Europaparlamentes anzufragen, Zollformalitäten vorzubereiten, Ladelisten zu schreiben, Mautbefreiungen für Deutschland,
Österreich, Slowenien (SLO) und Kroatien (HR) zu beantragen, Kraftstoffspenden einzuwerben, Zugmaschinen und Auflieger, bzw. LKW und Anhänger zu organisieren, das Beladen an unterschiedlichen Standorten zu organisieren, Fahrer und Beifahrer zu finden, Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot, die Road-Map zu erstell…! Heute um 12:30 Uhr geht es auch für mich los zur Autobahnpolizei-Inspektion Thüringen am Hermsdorfer AB-Kreuz. Nach vorheriger Rücksprache habe ich die Genehmigung, hier meinen Volvo bis zur Rückkehr zu parken. Dank an die freundlichen Polizisten! Mit einer Stunde Verspätung bin ich um 17:00 Uhr da. Nicht schlimm, da Detlef mit unserem Kleintransporter auch erst gegen 18:00 Uhr eintrifft. Gepäck umgeräumt, Bett im Heck eingerichtet und weiter geht es zur „Berg-Hütte" in Berg, Bayern. Die Betten im Heck sind gewöhnungsbedürftig.
2. Tag – 440 km
Um 06:30 Uhr weckt mich die Kälte. Ich hatte nicht bedacht, dass ich die Luftmatratze besser auf einer Isomatte gelegt hätte. So gab die Matratze die Kälte des Kfz-Bodens direkt an mich weiter. Noch einen Becher Kaffee vom Autohof, Katzenwäsche und um 08:30 Uhr rollen wir im Konvoi Richtung Pausenziel Autohof Hengersberg. Nette Aufnahme, Hermann ist auch hier bekannt. Nach unserem Brunch geht es um 14:00 Uhr weiter zum Tagesziel Sankt Pankraz in Österreich. Die „Pickerl-Befreiung" klappt! Am Autohof sind Parkplätze reserviert, Hermann kennt auch hier den Chef. Nach Imbiss und Abschlussbier geht es schon um 20:15 Uhr in die Kojen. War es in der Nacht vorher eisig, jetzt war es zu warm, also Schlafpulli wieder ablegen, Decke beiseite und Gute Nacht!
3. Tag – 540 km
Um 07:00 Uhr werden wir erst richtig wach. Nach schnellem Kaffee und der „Morgenlage" rollen wir um 08:00 Uhr vom Hof. Das Thermometer steht bereits bei 21°C Außentemperatur. Das wird sich in den Bergen gleich ändern. Wir sind gespannt, wie es mit der Mautbefreiung in SLO und HR funktioniert. Doch so weit sind wir noch nicht. Wir fahren durch eine faszinierende Bergwelt. Die Straßen sind herrlich frei, ein Tunnel folgt dem anderen. SLO ist ebenfalls schnell passiert und weiter geht es von Macelj vorbei an Zagreb bis zur Ausfahrt Slavonski (SI.) Brod Zapad (West). Ein erstes Problem: wir hatten die Genehmigung bis Istok (Ost), also eine Ausfahrt weiter, zu fahren. Dadurch kam es zu einer gefühlten Stunde Aufenthalt. Die Motorrad-Freunde SI. Brod haben das „Problemchen" jedoch gelöst und eskortiert vom MC Brod fahren wir zu einem Gelände mit Lagerhallen der Bereitschaftspolizei in SI. Brod. Dort werden wir bereits erwartet, auch die Biker der BBH sind schon da und wir dürfen uns an einem vorbereiteten Imbiss und guten Drinks stärken. Die LKW bleiben auf dem Hof und wir werden zum nagelneuen Motel Jurica gebracht, wo wir unsere Zimmer beziehen. Wir sind dort die allerersten Gäste. Am Tag zuvor wurden erst die neuen Betten aufgebaut. Die Zimmer sind toll, die Bauausführung im Bad katastrophal: das Wasser der Dusche läuft ins Zimmer, statt in den Siphon. Wer weiß, von wo die Wasserwaagen stammten! Nach einem gemeinsamen Abendessen mit den Bikern aus GE und SI. Brod geht es ab in ein richtiges Bett.
4. Tag – Nahverkehr
Nach ausgiebigem Frühstück fahren wir zurück zum Polizeigelände. Heute entladen wir dort die fünf Lkw für SI. Brod und lagern alles ni zwei großen Hallen ein. Bürgermeister, TV und Presse sind dabei. Die Aktion wird gefilmt, diverse Interviews gegeben. Um 13:00 Uhr sind die Züge leer. Zwei nette Damen vom Roten Kreuz begutachten die Krankenhausaustattungen und sind wirklich dankbar für unsere
Hilfe. Jetzt ab ins Vereinsheim des MC Brod, direkt an der Sava gelegen. Eine kräftige Gulaschsuppe, ein Fäßchen Ozujsko-Pivo und Rakija erwarten uns dort. Um 15:30 Uhr werden wir in unser Motel zurückgebracht, 20 Km vor Sl. Brod am Hang mit tollem Ausblick über die slawonische Ebene. Ich habe nie zuvor in Kroatien so viele Wanzen gesehen. Sie beißen nicht, sind aber überall, auch in den Zimmern. Also erst einmal rauswerfen, die Viecher. Dann sind wir von den Motorradfreunden Brod zum Buffet eingeladen - eine großartige Gastfreundschaft!
5. Tag – 294 km
Pünktlich um 08:30 Uhr ist Abfahrt der drei verbliebenen Züge. In zwei 8-Sitzern begleiten uns die Fahrer und Beifahrer der leeren LKW, die am Zollhof in SI. Brod verbleiben. Dann der Zoll: auf HR-Seite kein Problem-nema problema! Gegen 10:00 Uhr fahren wir auf den Zollhof in Bosnien u. Herzegowina (BiH). Das Erste, was mir auffällt: wir werden nicht in BiH, sondern in der Republika Srpska (RS) begrüßt, eine der beiden Entitäten neben der Föderation von Bosnien u. Herzegowina in BiH. Es sind auch ausschließlich serbische Fahnen, die hier wehen. Die Motorradfreunde aus Vitez nehmen uns in Empfang. Erste große Probleme gibt es auf dem Zollhof. Wir erfahren, dass unsere Abfertigung nicht hier stattfinden kann, sondern in Sarajevo, Rajlovac. Nur dort werden Hilfsgüter, die unter dem Roten Kreuz importiert werden, abgefertigt. Dennoch gibt es hier Formalia, die erledigt werden müssen. Nach langem hin und her rollen wir in Begleitung des MC Vitez weiter. Die Straße ist noch wie ich sie vor 25 Jahren erstmals kennengelernt habe: tief ausgefahrene Spurrillen, Schlaglöcher und meist ohne Leitplanken oder -pfosten. Auch die Ruinen der zerstörten Häuser – alles wie vor 25 Jahren. Nur die Raffinerie ist saniert und einige große Kaufhäuser sind entstanden. Der „Schwarzmarkt" ist weg.
Unser Termin mit dem Verteidigungsattaché und dem Kabinettsmitglied des Hohen Repräsentanten (OHR) rückt immer weiter nach hinten, durch den Umweg – über 150 km mehr, hin und zurück – über Sarajevo. Gegen 13:50 Uhr erreichen wir Zepce. Der örtliche MC hat in seinem wirklich gelungenen und komplett selbst errichteten Vereinsheim zur Pause geladen. Es gibt einmal mehr regionale Spezialitäten, auch unsere Biker aus GE sind schon vor Ort. Wir müssen aber weiter, um den Zollhof vor 20:00 Uhr zu erreichen und ggf. noch nach Vitez zu verlegen. Unsere Trucker, die in den Begleitfahrzeugen dabei waren, haben entschieden, wieder nach SI. Brod zurückzufahren, damit wenigstens der Zeitplan für sie einigermaßen passt. Wir gehen auf die letzte Etappe nach Rajlovac und kommen dort um 16:10 Uhr an. Der Verteidigungsattaché Oberstleutnant i.G. Nolte lässt uns von Stabsfeldwebel Jacek „Jack" Schwientek übermitteln, dass er wegen Anschlussterminen nicht länger in Vitez auf uns warten kann. In Rajlovac erfahren wir, dass wir heute gar nicht abgefertigt werden können, da die Dame vom Roten Kreuz um 16:00 Uhr Feierabend gemacht hat, obwohl wir angemeldet waren! Selbst nach Ansprache durch einen Zollinspektor war sie nicht willens, uns noch heute abzufertigen. Große Sch...! Alles verschiebt sich nun. Oliver Schusdziarra, vergleichbar mit einem Stabschef im Kabinett des Hohen Repräsentanten und sein Mitarbeiter Josh Roth sind gegen 18:00 Uhr in Rajlovac eingetroffen. Sie haben „die Drähte glühen" lassen, um für heute noch die Abfertigung zu erreichen – keine Chance! Wir stehen kurz davor, alles hinzuwerfen und nach SI. Brod zurückzufahren. Einzig die Freunde des MC Vitez überreden Hermann, über Nacht zu bleiben, und am nächsten Tag – zugesagt war 07:30 Uhr – die Formalitäten zu regeln. Die Fahrer der drei Züge bleiben an ihren Fahrzeugen, getreu dem abgewandelten Motto "my car is my castle". Wir fahren zum ebenfalls in Eigenleistung errichteten Vereinsheim des MC Vitez, wo wir auch unsere MC-Freunde aus Deutschland treffen. Wie sollte es anders sein: es gab reichlich vom Grill und aus
der Flasche, Gastfreundschaft geht über alles! Gegen 22:00 Uhr verlegen wir ins Motel Bor, beziehen Zimmer und fallen ins Bet.
6. Tag – 823 km
Nachdem wir um 06:30 Uhr gestartet sind, um pünktlich um 07:30 Uhr wieder am Zollhof Rajlovac einzutreffen, stellen wir fest, dass frühestens um 08:00 Uhr wieder Arbeitsbeginn ist. Der „Drachen" vom Roten Kreuz behandelt uns herablassend und zieht die Formalitäten so weit es geht. Kurzzeitig steht im Raum, dass wir die Hilfsgüter, wie hydraulische u. elektrische Krankenhausbetten, Matratzen und Bezüge, drei Zahnarztstühle u.v.m. einer Hygienekontrolle unterziehen sollten.
Diese fand nach Vermittlung durch unsere BiH-Biker, ganz vorne Zeljko, Vlatko und Hans, zum Glück nicht statt. Um 12:00 Uhr endlich rollen wir weiter. Die Trucks standen 18 Stunden auf dem Zollhof - ein verlorener Tag! Zügig erreichen wir das Krankenhaus in Nova Bila. Auch dort erwarten uns regionale Medien und nehmen alles auf. Die Motorradfreunde Vitez entladen innerhalb von zwei Stunden die Züge. Alles wird im Magazin verstaut. Auch hier herrscht große Dankbarkeit für die gespendeten Güter. Eine weitere Einladung müssen wir ausschlagen, da wir heute noch(!!!) bis nach Sankt Pankraz zurückfahren wollen bzw. müssen. Die berufstätigen Fahrer unter uns haben Anschlusstermine, die sich nicht verschieben lassen. So erreichen wir nachts gegen 03:30 Uhr gemeinsam unseren Autohof, der wieder für uns reserviert hatte. Hier stehen bereits die fünf Züge, die in SI. Brod gestartet waren. Wir sind fix und fertig und legen uns direkt in die Kojen.
7. Tag – 884 km
Deutschland, wir kommen! Um 08:00 Uhr ist die Nacht vorbei, Frühstück, Kaffee und los geht's. Das Pausenziel Autohof Hengersberg wird erneut angesteuert. Parkplatz ist reserviert, ein ordentliches Mittagessen kann bestellt werden. Nach einem endlosen Tag und 518 km weiter kommen wir dann wieder am AB-Kreuz Hermsdorf an. Bett und Klamotten umladen, ich danke Detlef, meinem Mitfahrer, für seine Geduld und sein Verständnis. Eine lange Tour neigt sich dem Ende zu. Für mich beginnt der letzte Abschnitt. Noch 366 Km bis Lahnstein und ich bin zu Hause. Das eigene Bett ist doch das Beste.